"Erzittere, Welt, ich bin die Pest,
ich komm in alle Lande."
Herm. Lingg
Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt steigt die Besucherzahl der Oberammergauer Passions-Festspiele. Ob es der Mehrzahl von ihnen wohl noch zum Bewußtsein kommt, daß ihre Entstehung der Dank für die Befreiung von der Pest (1634). war? Auch unsere Heimat wurde schwer heimgesucht. Vielerorts stehen Pestsäulen im Schlesierlande , so z. B. in Schmottseiffen, Kreis Löwenberg, aus dem Jahre 1613. Eine ihrer vier Inschriften lautet:
Zu Ehren den heiligen Pestpateron
Ist dieses Werk erbauet worn
Auf daß sie Gott für uns bitten
Und von Pesthentz behütten.
Im Jahre 1497 starb die Stadt Greiffenberg/Schles. bis auf 12 Personen aus. Die Pest wütete. Das Dorf Altwiese, einst zwischen Greiffenberg und Baumgarten gelegen, starb ganz aus. 1613 kehrte diese furchtbare Krankheit wieder in den Mauern der Stadt ein. 1072 Menschen starben.
Auch das Glogauer Land ist von Pest und pestartigen Krankheiten oft heimgesucht worden. "Von Juli bis Dezember 1631 wütete die Pest in Glogau in so verheerender Weise, daß zur Beerdigung der Leichen fünf Totengräber gehalten werden mußten und an manchen Tagen über 50 Personen der Seuche zum Opfer fielen. In Polkwitz starben 1631 von den Einwohnern alle Familien bis auf sieben Paar Eheleute aus." 1)
Besonders schwer überfiel "die greuliche Seuche der Pestilenz" die Stadt Polkwitz im Juli 1680. Da "wurde nicht bloß der Jahrmarkt (in Glogau) aufgehoben, sondern auch die Wege nach Polkwitz und das Brostauer Tor auf Befehl des Königlichen Amtes gesperrt." 1)
Polkwitz beherbergte zwei erschütternde Erinnerungsmale, die der Nachwelt bis in unsere Tage klare Aussagen über diese schreckliche Zeit machten: den Pestaltar und das Pestbild. Der Pestaltar, gewöhnlich Sebastianaltar genannt, stand auf der auf Epistelseite der Michaeliskirche. Zu Ehren der Heiligen Fabian und Sebastian hatten Pfarrer, Bürgermeister und Magister das Gelübde abgelegt, einen Pestaltar zu errichten, wenn die Pest aufhöre. So stellt denn das Altarbild den hl. Sebastiann dar, und man sieht den damaligen Pfarrer und fünf Ratsherren knien und das Gelübde machen. Auch zeigt es die Kranken in ihren Hütten, abseits der menschlichen Wohnungen im Walde. Auf dem Altar stehen ferner die Statuen der Pestheiligen Rochus und Franziskus Xaverius, Rosalie und Barbara. Viele Polkwitzer Kirchgänger werden sich des Pestaltars genau erinnern.
Noch eindringlicher aber redet das sog. Pestbild in der Annakapelle. Es zeigt nicht nur die Pestkranken in ihren Waldhütten, sondern auch, wie die Stadt damals aussah, und das macht es kulturhistorisch außerordentlich wertvoll und interessant. Einige Einzelheiten des Bildes sind durch große lateinische Buchstaben bezeichnet. So wird etwa A so erklärt: Ein ehrwürdiger Rat als Ferdinand Mehl Konsul. Herr Malchlor Ignatius Vogt Senior et Notarius, Herr Andreas Bergmann Herr Andreas Batholomäus Meißner, Herr Johann Preiße, Herr Paul Füssel, Gelöbnis vor dem wohlehrwürdigen Herrn Johann Bachmann, Pfarrherr , im Anfang der Pest getan. - Zu B: Die Pfarrkirche St. Michael, darin das Gelöbnis und hl. Kommunion zu Ehren der 1-11.Fabian und Sebastian mit einer hl. Messe ein ehrwürdiger Rat verrichtet. - Zu C: Pfarrhaus. - Zu E: Der wohlehrwürdige Johannes Bachmann, getreuer Pfarrherr, an der Pestseuche gestorben. - Zu F: Pesthaftes Begräbnis. - Zu G: Der wohlehrwürdige Herr Johann Simon Vetter, Pfarrherr in Parchau, der diese Pestzeit diese Pfarrei angenommen, da seine Hütte hat, da der Pfarrhof auch geschlossen war. - Zu H: Herr Bürgermeister Hütte.
Über dem Pfarrer, der dem Rat das Gelübde abnahm, steht: S. Fabian, S. Sebastian, orate pro nobis. Beide Heiligen sind oben auf dem Bild zu Seiten des Heiland dargestellt. Die Inschrift des Bildes aber lautet:
"Anno Sedecies Cento et Octuageno Regia Civitatis Polkvitii peste
horribili depopulata est," (Im Jahre 1680 wurde die königliche
Stadt Polkwitz von einer schrecklichen Pest entvölkert.)
"Clavis mortales valva reserabat abyssi,
Petri et Pauli ensis virga furoris erat.
Providus ad superos dum mittit vota Senatus,
Clausit post menses quinque dies Xavier.
Alle die Sterblichen schienen verloren zu sein schon für immer;
An Sankt Peter und Paul wütet die Zuchtrute arg.
Während der weise Senator Gebete zum Himmel entsendet,
Bannte Xaverii Tag nach fünf Monden die Not.
(Am 29. Juni, Peter und Paul, war es am ärgsten mit der Pest,
fünf Monate später, am Feste des hl. Pest patrons Xaverius,
ließ die Pest nach.)
Anno eintausendsechshundertachtzig zehlte man,
Von dem neunundzwanzigsten Juni an,
Bis auf den dritten im Christmonat
Die Pest in Polkwitz regiert hat.
Zweihundertfünfzehn Leut sind verblichen,
und war doch diese Seuch weit eingeschlichen,
aber um Hilf ein weiser Rat
ein Gelübnis Gott angloben tat:
nehmlich, daß jährlich der Rat und Gerichte beichte,
all Bürger und Gemein im Gottesdienst Opfer reichte
Am Kirchfest St. Fabian.
Erectum (errichtet) Anno 1683 in Paschate (Ostern). Renovatum 1827". 2)
Das ist der Gifthauch der Pest; so höhnt der "schwarze Tod":
Wem ich nur schau ins Aug hinein,
der mag kein Licht mehr sehn;
wem ich gesegnet Brot und Wein,
den hungert nur nach Staub allein,
den durstet's heimzugehen ...
und alles, was mein Hauch ergriff,
das mußte schlafen, schlafen.
H. Lingg
In einem Pestspital lag 1451 der Meister S~efan Lochner, auch Ratsherr seiner Stadt Köln, mit schwarzen Pestbeulen bedeckt, auf stinkendem Lager. "Unaufhörlich redete und malte der Kranke im Fieberwahn, und seine Nachbarn auf dem Elendsstroh lauschten ihm, wenn ihre Seelen sich für Stunden in diese Welt zurückbegaben. Sie lauschten ihm und verstanden doch nur so viel, daß in der Kirche zu St. Laurentius ein Altarschrein stehen sollte, mit dem es eine besondere, eine heilige Bewandtnis haben mußte. ,Heiliger Laurentius!' schrien sie deshalb, ,hilf uns und bitte für uns Heiliger Laurentius, errette uns!' '" Der kalte Schweiß der Todesnähe troff ihm von der Stirn, und: ,Mein Gott' stammelten seine Lippen, ,mein Gott, wenn du gnädig bist, so laß es mir einmal, ein einziges Mal, gelingen!' ...
Unten auf der Gasse rasselte die Pestklapper, die den Lebenden von denen, die dem Tode verfallen sind, scheucht. Doch dem Armseligen auf dem Strohbündel schien die Holzklapper wie himmliches Zimbelgetön zu klingen, und so nickte der Danebenliegende in Sanftmut dem namenlosen Meister neben sich zu, ehe er sich seufzend rücklings warf und verschied." (Friedrich Bischoff, Die Himmelfahrt des Stefan Lochner)
1) Julius Blaschke, Geschichte der Stadt Glogau und des Glogauer Landes
2) Hermann Hoffmann. Die katholischen Kirchen des Landes Glogau